Menschenrechtsgerichtshof bestätigt Abwehrrecht gegen Abtreibungsgegner / Flugblätter vor Praxis verteilt
Az.: 2373/07 und 2396/07
STRAßBURG (mwo). Persönliche Angriffe gegen Gynäkologen von Abtreibungsgegnern sind von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Nach dem Bundesverfassungsgericht hat dies nun auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg bekräftigt.
Der Antragsteller hatte 2001 in der Nähe einer gynäkologischen Praxis Flugblätter verteilt. “Stoppt rechtswidrige Abtreibungen in der Praxis Dr. K.”, hieß es dort. Und auf der Rückseite: “Bitte helfen Sie uns im Kampf gegen die straflose Tötung ungeborener Kinder.” Hintergrund ist die Unterscheidung des Strafgesetzbuchs zwischen einer rechtmäßigen und einer straffreien Abtreibung. Rechtmäßig ist nur eine Abtreibung zum gesundheitlichen Schutz der Mutter. Trotzdem bleibt aber auch eine Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Schwangere sie wünscht und sich zuvor hat entsprechend beraten lassen.
Die Unterlassungsklage des Arztes hatte dennoch durch alle Instanzen Erfolg. Dabei gingen die deutschen Gerichte davon aus, dass die mit dem Flugblatt angesprochenen juristischen Laien den Vorwurf “rechtswidriger Abtreibungen” so verstehen, dass der Gynäkologe sich gesetzwidrig verhalte und strafbar mache. So gelesen sei der Vorwurf aber falsch. Der Bundesgerichtshof sprach zudem von einer “Prangerwirkung”. Der damit verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arztes wiege deutlich schwerer als die Meinungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht meinte, der Abtreibungsgegner könne seine Position problemlos so formulieren, dass auch Laien klar sei, dass der Gynäkologe nicht strafbar handle.
Diese Positionen unterstützte nun auch der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Niemand habe dem Abtreibungsgegner verboten, sich öffentlich gegen straffreie Abtreibungen zu äußern. Der Abtreibungsgegner seinerseits habe aber sogar Patientinnen gezielt angesprochen und dadurch die freie Berufsausübung des Arztes erheblich beeinträchtigt.
Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht gleichzeitig festgestellt, dass es unter Meinungsfreiheit fällt einen Arzt als “Tötungsspezialist für ungeborene Kinder” zu bezeichnen.
(engl.) The European Court of Human Rights as well as the German Federal Constitutional Court approved that certain accusations of anti-choice Organisations in Germany are not compatible with freedom of speech. In this case an organisation handed out flyers infront of a gynecologists office accusing him of illegal abortions. The Court acknowlegded that the use of the term illegal was incorrect even under the German law, where certain abortions is still illegal but exempt from punishment. Nevertheless the German Federal Constitutional Court approved as well that the term “Tötung ungeborener Kinder” (Killing of unborn children) on the flyer is constitutional under the Freedom of Speech Act.